Reinhard Mey

Mein Land Songtext / Lyric


Reinhard Mey - Mein Land Songtext


Mein dunkles Land der Opfer und der Täter,

Ich trage einen Teil von deiner Schuld.

Land der Verratenen und der Verräter,

Ich übe mit dir Demut und Geduld.

Mein graues Land, das bitter und geschunden

Sich selbst verneint bis zur Erbärmlichkeit,

Ich leide mit dir und an deinen Wunden

Und weiss, die heilen auch nicht mit der Zeit.

Mein helles Land der mutigen und stillen

Aufrechten, unerkannt und ungenannt,

Ich finde mich in deinem Freiheitswillen:

Mein Mutterland, mein Vaterland, mein schweres Land.






Du übst das wohlgefällige Betragen,

Den eifrigen Gehorsam: auf die Knie!

Das eine denken und das andere sagen

Und betteln um ein bisschen Sympathie.

Und deine Herren dienen wie besessen,

Damit man ihnen die Zerknirschung glaubt.

Sie haben schon so lang Kreide gefressen,

Dass es, wenn sie das Maul aufmachen, staubt.

Und die, für die zu sprechen sie vorgeben,

Stehen ungefragt und übersehen am Rand

Und halten dich mit ihrem Mut am Leben,

Mein Mutterland, mein Vaterland, mein stummes Land.



Wie Erdklumpen an meine Sohlen haften

Mir deine Bilder an, störend und schwer:

Die lange versprochenen blühenden Landschaften

Gähnen brach vor einem Ruinenmeer.

Von Glücksrittern, Piraten, Tagedieben

Verschaukelt und verladen und versetzt,

Nur die Bestohlenen sind zurückgeblieben,

Die letzten, die beißen die Hunde jetzt.

Vergessen und verraten und verfallen,

Gestrandet und verloren am Imbissstand.

Und Automaten dudeln aus Spielhallen.

Mein Mutterland, mein Vaterland, mein armes Land.



Ich bin, wie ich bin, eines deiner Kinder,

Wir beide haben uns nicht ausgesucht.

Du hast mich oft geschulmeistert, nicht minder

Oft habe ich deine Heuchelei verflucht.

Ich kann dich nicht, die Hand aufs Herz, ansingen,

Den Blick zur Fahne, und ein Wort wie stolz

Kann ich mir auch mit Mühe nicht abringen -

Dummheit und Stolz sind aus demselben Holz!

Ich hänge an den Menschen, die hier leben,

An Orten, an mancher Begebenheit,

Um die meine Erinnerungen sich weben,

An deiner Schwermut, deiner Sprödigkeit.



Ich hänge an dir und bin in deinen Brüchen,

Im Guten wie im Schlechten dir verwandt,

Ich bin dein Kind in deinen Widersprüchen,

Mein Mutterland, mein Vaterland, mein Land.

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