Reinhard Mey

Drei Jahre Und Ein Tag Songtext / Lyric


Reinhard Mey - Drei Jahre Und Ein Tag Songtext


Sie waren Schreiner, Maurer, Steinmetz, Schmied und Zimmermann

Bald tausend Jahre her, dass ihre Wanderschaft begann

Silberschmied, Böttcher, Kupferstecher, aus bitterster Not

Zogen sie in die Fremde und sie suchten Lohn und Brot

Das Dorf so arm, das Land zu karg, keiner der Arbeit hat

Vater und Mutter kriegen die vielen Mäuler nicht satt

Sie schulterten ihr Bündel, nahmen ihren Wanderstab

Und gingen in die Welt, dorthin, wo's Arbeit für sie gab

Nichts als den Stenz, nichts als die Kluft, nichts als am Leib das Hemd

Nicht einen roten Heller, immer hungrig, immer fremd

Nur ein kostbares Hab und Gut auf ihrer Wanderschaft:

Das Geschick ihrer Hände, ihren Mut und ihre Kraft



Wir alle seins Brüder

Wir alle seins gleich!






Ein Leben auf der Straße in Schnee oder Regenflut

In staub'ger Werkstatt oder im Gebälk zur Mittagsglut

Auf schwankendem Gerüst, im steilen Dach, im Glockenturm

Und weiterzieh'n in Kälte, in Nässe, Nacht und Sturm

Zu lernen, wie man anderswo die Kathedralen baut

Die Balken zimmert, Schiefer deckt oder den Stein behaut

Glück, wenn es eine Scheune gab als Herberge zur Nacht

Doch oft durchnässt im kühlen Morgentau im Gras erwacht

Und ihre Hände schufen die Burg zu Eisenach

Die Celler Fachwerkgiebel, das Innsbrucker Gold'ne Dach!

Und manch Geselle brachte der Welt ein Meisterstück dar:

Dürer sein Nashorn und Riemenschneider seinen Altar



Wir alle seins Brüder

Wir alle seins gleich!



Magerer Lohn, karges Quartier, und selten satt vom Schmaus

Drei Jahr und einen Tag und niemals näher an zuhaus

Als diese dreißig Meilen, aus dem Heimatkreis verbannt

Daß einen nicht die Sehnsucht, nicht das Heimweh übermannt!

Ihr Werkzeug, die Habseligkeiten, was ihr Eigen ist

Paßt in ein Leintuch, das im Quadrat eine Elle mißt

Und doch hat der entbehrungsreiche Weg sie reich gemacht

Hat Schätze an Erfahrung und Kunstfertigkeit gebracht

Und Reichtümer an Freiheit von drei Jahren auf der Walz

Allein an irdischen Gütern bleibt ihnen bestenfalls

Der goldne Ring im Ohr und der ist nicht da, um zu prahl'n

Nein, um damit wenn's sein muß, ihr Begräbnis zu bezahl'n



Wir alle seins Brüder

Wir alle seins gleich!



Sie sind Schreiner, Maurer, Steinmetz, sie sind Schmied, und Zimmermann

Heut wie vor tausend Jahren treten sie die Reise an:

Der schwarze Hut, der Ring im Ohr, die Kluft aus alter Zeit

Am Hemd die schwarze, blaue, graue, rote Ehrbarkeit

Ein Weg voller Entsagung, Leben ohne Überfluß

In Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, ein freier Entschluß

Und ihre Hände bau'n den Reichstag und das Stelenfeld

Das neue World Trade Center, Brücken in die ganze Welt

Ihr seht sie auf der Rüstung, auf dem First und in den Sparr'n

Und wartend an der Straße, um ein Stück mit Euch zu fahr'n

Dann, brave Christen, ehe ihr vorbeifahrt, denkt daran:

Der Herr, zu dem ihr betet, war auch ein Zimmermann!



Und sagt der nicht: „Was ihr dem Wandrer an der Autobahn

Dem geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan!“

Drum, brave Christen, ehe ihr vorbeifahrt, haltet an:

Der Herr, zu dem ihr betet, war auch ein Zimmermann!



Wir alle seins Brüder

Wir alle seins gleich!

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